In meiner 20-jährigen Arbeit als Coach haben sich Themen und Ziele verschoben – Unsicherheit, emotionale Erschöpfung und Leistungsschwäche stehen mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit im (Arbeits-) Leben im Brennpunkt von Coaching.
• Emotionale Erschöpfung, Antriebsschwäche
(Person wirkt kraftlos, müde und reizbar)
• Distanziertheit zum Umfeld und zur Arbeit (Depersonalisierung)
(Person wirkt gleichgültig, z. T. zynisch)
• Leistungsminderung, Misserfolgserlebnisse als Folge negativer Selbstbewertung
(Person sieht keinen Sinn mehr in dem, was sie tun)
Sofern noch nicht zu weit fortgeschritten, lassen sich diese Symptome erfolgreich bearbeiten; sonst braucht es weitergehende Interventionen (Psychotherapie und unterstützende Methoden, Klinikaufenthalt, die dem Klienten helfen, diese Lebenskrise zu bewältigen).
Aus meiner Sicht kann eine langfristige Strategie nur sein, Burnout-Vorbeugung zu betreiben – hier sind die internen Fachleute in den Organisationen gefragt. Nur so können die persönlichen und organisatorischen Kosten niedrig gehalten werden. Coaching ist dafür ein sehr adäquates Mittel, um die Selbststeuerung beim Klienten nachhaltig zu fördern.
Folgende Themenfelder sind in unterschiedlicher Tiefenschärfung zu bearbeiten:
• Emotionale Zuwendung
• Mentale Muster, Glaubenssätze und Selbststeuerung
• Identität, Sinnstiftung und persönliche Ziele
• Versagensängste/ Zweifel und Zuversicht
• Konstruktives NEIN
• Suchtmittel-Gebrauch
Ziel ist es, die „lebensfeindlichen“ Bremsen beim Klienten aufzuspüren, zu lösen und die Selbststeuerungskräfte zu mobilisieren. Je mehr das gelingt, desto mehr wachsen Arbeits- und Lebensfreude und die Zuversicht in die eigenen Fertigkeiten und Potentiale. Das ist nach meiner Erfahrung allerdings nur dann der Fall, wenn Fragen der Identität und der persönlichen Ziele hinreichend geklärt sind. Eine über die Zeit stabile Zuversicht in die eigene Person sorgt dafür, dass der Klient seine Rollen in den unterschiedlichen Lebensbereichen erfolgreich ausfüllen kann. Das geht am besten, wenn der Klient Rollenklarheit gewinnt, ggf. neu definiert und weiß, wer er ist und wer nicht. Dann kann man von einem „Langzeitschutz“ gegen jede Art von Burnout sprechen.
Emotionale Zuwendung
Im Coaching wirken die Klienten oft angespannt, angestrengt und von Selbstzweifeln in das eigene Können geplagt. Bei näherer Exploration wird deutlich, dass „Zuwendungs-Zufluss“ (Energiequellen) und „Zuwendungs-Abfluss“ (Energieverbrauch, Anforderungen) in einem deutlichen Missverhältnis stehen.
Virgina Satir ist der Überzeugung, dass die Vorstellung von dem eigenen Wert, die jeder mit sich herumträgt – also sein „Selbstwert“ oder seine „Selbstachtung“, entscheidend für die Lebenstüchtigkeit und Lebensgestaltung eines Menschen ist.
Klienten mit einem Burnout-Syndrom sind wenig in der Lage, sich und andere wertzuschätzen, sich Feedback zu holen und ihre Einflussmöglichkeiten auszuloten und wahrzunehmen. Sie neigen zum inneren Rückzug, der die vorherrschende Dynamik noch verstärkt. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich; eine Rolle spielen die Anforderungen am Arbeitsplatz, die Glaubenssätze des Klienten über das eigene Können/ Wissen und die Passung der charakterlichen Stärken des Klienten zu den Herausforderungen der Stelle/Funktion.
Daher zielen die Interventionen darauf ab, dass der Klient seinen Zuwendungsmangel bearbeitet, sich selbst positive Zuwendung gibt, sich aktiv Rückmeldung holt und positive Zuwendung in sich aufnimmt.
Identität/ Werte/ Glaubenssätze
Es stellt sich relativ schnell heraus, dass die Klienten die Frage nach der eigenen Identität, der eigenen Wertvorstellungen noch nicht hinreichend bewusst beantwortet bzw. für sich geklärt haben.
Ziel ist es, sie mit dem Thema zu konfrontieren und sie zu motivieren, das Identitätsthema anzunehmen und zu klären.
Die Arbeit hat zum Ziel, dass die Klienten ihre Stabilität und ihre Fähigkeit mit dem Umgang von belastenden Situationen stärken und ihre Fortschritte reflektieren können.
Die mentalen Prägungen zum eigenen Selbstwert - bezogen auf aktuelle berufliche Situationen - werden bearbeitet und durch Erlaubnisbotschaften ersetzt. Damit wird die emotionale Seite des Klienten stimuliert und eine Auseinandersetzung mit der eigenen Emotionalität initialisiert.
Konstruktives NEIN
Das Thema „NEIN - Sagen“ steht im Bearbeitungs-Fokus. Der Anpassungsdruck, unter dem sich Klienten fühlen, ist häufig groß und die innere Erlaubnis etwas abzulehnen bzw. zu verhandeln eher schwach ausgeprägt. Diese mentale Einschränkung gilt es zu überwinden und durch ein konstruktives NEIN zu ersetzen. Klienten müssen lernen, mit Widersprüchlichkeiten in den offiziellen Werten/ Grundsätzen der Organisation im Vergleich zur erlebten Realität umzugehen (Ambiguitätstoleranz erhöhen). Im Grunde genommen geht es darum, die Widersprüchlichkeiten gelassen zu ertragen und für sich zu klären, in welchen Situationen persönliche Einflussmöglichkeiten bestehen, z.B. in Form einer konstruktiven Auseinandersetzung oder eines NEINS, und wo nicht.
Suchtmittel – Gebrauch
Hier ist gemeinsam mit dem Klienten zu klären, ob ein gesunder Umgang gewährleistet ist bzw. inwieweit Suchtmittel Ersatzfunktionen z. B. der Entspannung dienen. Das Umfeld ist dabei zu berücksichtigen. Bei Gefährdung oder Abhängigkeit von einem Suchtmittel sind geeignete Entzugstherapien einzuleiten.
Die Herausforderung für die Zukunft besteht meines Erachtens darin, Manager dabei zu unterstützen, wie sie die schnelle Abfolge von Veränderungen so meistern und sich steuern können, dass Zuversicht, Freude am (ARBEITS) Leben und Leistungsfähigkeit erhalten bleiben. Dafür ist meiner Erfahrung nach Coaching in jeweils unterschiedlichen Lebensphasen ein sehr wirksames, effektives Begleitinstrument, um Burnout-Symptomatik erst gar nicht entstehen zu lassen.
von Werner Illini